Beim Weltjugendtag 2005 war der Bischof von Blois in Wuppertal.
Das Andenken von Victor Dillard ist auch in seiner Heimatstadt wach.  

 Pater Victor Dillard SJ 
Am 10. Oktober 1943 kam Victor Dillard nach Wuppertal. 
Geboren wurde er am 25.Dezember 1897 in Blois. 1920 trat er dem Jesuitenorden bei und wurde 1932 zum Priester geweiht. Sein besonderes Thema war die Jugendarbeit und die „Soziale Frage“. Zahlreiche Reisen boten ihm die Möglichkeit, andere Länder kennenzulernen. Während des 2. Weltkrieges nahm er den Aufruf der französischen Bischöfe zu Auslandsseelsorge an. Er verschafte sich dazu gefälschte Papiere und kam nach Wuppertal. Hier wollte er den französischen Fremdarbeitern nahe sein und arbeitete als Elekriker. 
Daneben feierte er in verschiedenen Kirchen des Bergischen Landes Gottesdienste. Im April 1944 wurde er verhaftet und kam in das Gestapo-Gefängnis. Die Borromäerinnen des „Kapellchen“ sorgten während dieser Zeit für ihn. Am 12.November 1944 wurde er ins Konzentrationslager Dachau eingewiesen. Dort ist er am 12.Januar 1945 gestorben. Sein Leichnahm wurde unter der Häftlingsnummer 134064 im Krematorium verbrannt.
Dieses Bild von E.G.Jentgens hängt in der Kirche St. Konrad,
in der Nähe war der Arbeitsplatz von Pater Dillard 1943-1944.

 

 

Victor Dillard schrieb den folgenden Text 1944 im Wuppertaler Gestapogefängnis
Von der Ehre, Arbeiter zu sein
Mehr als sechs Monate lang habe ich den ungeheuren Vorzug genossen, im möglichsten Maße das Leben eines Arbeiters zu führen. Ich sage absichtlich: im möglichsten Maße, denn in Wirklichkeit war ich kein Arbeiter und konnte auch keiner sein. Das ist mir durch die Hal­tung der andern klar geworden, die mich nie ganz zu den Ihrigen rechneten. Nie habe ich Meko, den russischen Elektriker, der mein Arbeitskamerad war, dazu bringen können, mich zu duzen, irgend etwas hielt ihn davon ab. Nach und nach begriff ich, dass sie recht hatten.Arbeiter wird man nicht nach den Maßstäben, die Kultur im allgemeinen Sinne messen lassen. „Die Ehre, Arbeiter zu sein“ – was das heißt, das habe ich jetzt ganz anders erfahren, als aus Reden und Gedichten.
Damit ich wirklich hätte Arbeiter sein können, hätte mein Körper zu diesem Zwecke ge­bildet und ausgerichtet sein müssen. Der Arbeiter arbeitet ja nicht nur mit den Händen, nein, seinen ganzen Körper setzt er in diesen Kampf ein, diesen spannenden und liebevollen Kampf mit der Materie. Erst nachdem ich mir die Augen an der Bogenlampe des Schweiß­apparates verbrannt, meine Ohren auf das be­täubende Surren der Maschinen und den Schlag der Hämmer auf die Stahlplatten, meine Beine und Knie im Herumturnen an Metallgerüsten geübt, alle meine Muskeln beim Anziehen eines Bolzen angespannt, meine Lunge an das Einatmen des Metallstaubes gewöhnt, meinen ganzen rheumakranken und mit den ver­schiedensten Narben gezeichneten Körper dem höchst ungesunden Luftzug ausgesetzt hatte, erst dann verstand ich, dass, wenn ich das alles von meiner Kindheit an mitgemacht hätte, mein We­sen nicht wäre, was es ist, und auch mein Ge­fühl ein anderes wäre. Man muss an Ort und Stelle persönlich in der Symphonie mitgewirkt haben, um einzusehen, dass die Hände nicht sau­ber und die Fingernägel nicht tadellos bleiben können, wenn man im Schmieröl gearbeitet hat.
Ich habe dort die Messe mit grauenhaften, aber siegreichen Händen gelesen. Mit solchen Händen kann man kein Taschentuch brauchen, man muss sich mit den Fingern schneuzen. Ich hab verstanden, dass das Auf-den-Boden-Spucken eine instink­tive Abwehrmaßnahme des Organismus, die Hy­giene aber, ein zwar verdienstlicher, für viele jedoch fast unerschwinglicher Luxus ist. Der alte Dory, der mit mir am Schweißapparat arbeitete, konnte glühende Metalltropfen be­rühren, ohne sich die Hände zu verbrennen; er hatte das sein Leben lang getan. Ich weiß noch, wie ich an einem Wintertag den Motor der äußeren Rollbrücke reparierte. Ich arbeitete oben auf der Brücke bei eisigem Wind und war vollständig durchfroren. Zwischen Daumen und Zeigefinger musste ich winzige Schrauben loslösen, die nicht weichen wollten. Ich fühlte meine Finger nicht mehr, sie waren blau. Ich wurde mit der Sache nur fertig, weil ich alle fünf Minuten von der Leiter stieg und mir schleunigst die Hände über einem Kohlenbecken wärmte, und lange nachdem ich fertig war, weinte ich noch vor Kälte und war keiner Bewegung fähig. Bei andern Gelegenheiten habe ich gesehen, wie Meko denselben Motor repa­rierte. Er hielt es aus: er wusste Bescheid. Er war allerdings einRusse. Er wusste sich die Finger auf seine ganz eigene und höchst wirksame Art zu wärmen, indem er sich damit durch die Haare fuhr. Und er war von jeher Arbeiter gewesen. Wenn der Geist durch das Gefühl bedingt ist, so ist es nicht verwunderlich, dass der Ar­beiter eine Gesinnung und ein Gedankenleben hat, die den Philosophen und den Gelehrten fremd bleiben müssen. Und dieses Gedanken­leben wird auch durch den Gegenstand gestaltet, der es beschäftigt. Man muss gearbeitet haben, ­um den Stoff, seine Schönheit, sein Geheimnis und sein Leben zu begreifen; denn der Stoff ist lebendig, das hatte ich vorher auch nicht gewusst.
Auf meinem Gebiet, dem des Elektrikers, war dieses Leben vielleicht spürbarer als sonstwo, doch schien es mir, als ob die Kameraden es ebenso wie ich erführen. Die Maschine hat eine Seele. Sie hat ihre eigenen Ausdrucksmittel; sie hat ihre Geräusche, die niemand außer ihrem Führer vornimmt, ihre Schmerzenslaute, ihre Launen, ihre Schrullen. Ein schweigendes Einvernehmen besteht zwischen ihr und ihrem Herrn, gegenseitige Angewohn­heiten, eine Zusammenarbeit von Imponderabilien. Der Arbeiter arbeitet nicht mit einem beliebigen Werkzeug, und wäre es das ein­fachste, sondern mit seinem Werkzeug, das von jeher seiner Hand vermählt ist. Wird heißen, dass meine Phantasie arbeitet, dass ich dichte.  Mir scheint jedoch, dass etwas Tieferes dahinter steckt und dass Christus nicht zufällig ein Ar­beiter sein wollte. Er liebte das Holz, dessen Geheimnisse er alle kannte, da sie ihm in einer zwanzigjährigen Zusammenarbeit vertraut ge­worden waren. Er war auf diesemHolz in der Krippe geboren und hat in der blutigen Um­armung des Holzes, seines Bruders, sterben wollen. Heutzutage hätte er leidenschaftlich das Schweißen, das Zurichten, die Arbeit in der Drehbank geliebt, und wäre so eine Gemeinschaft eingegangen mit dem Stoff, den er so gut, den er mit allenseinen Geheimnissen kannte, wie er den Wind, den Sturm und die Fische des Sees kannte. Das wieder Instandsetzen einer Maschine ist eine Quelle derselben Freuden wie das künstlerische Schaffen.
Ich er­innere mich einer elektrischen Schweißmaschine, die sich beim Transport auf der Rollbrücke losg­erissen hatte und aus zehn Meter Höhe herab­gestürzt war. Da lagnun die Maschine auf den zwei kleinen Hinterrädern, wie ein kranker Hund, und Meko wollte sich schief lachen, wie er sie ansah. Drei Tage lang wurde daran gearbeitet, ohne Unterbrechung. Stück um Stück wurde ausgebessert: die Deichsel, die Räder, der Rahmen, die Achse, die Widerstände, die Kon­densatoren, die Schalter usw.. Sie wurde wieder vollständig zusammengesetzt, und dann versuchte man vorsichtig, sie wieder zu beleben, indem man sie an den Strom anschloss. Zuerst wollte es überhaupt nicht klappen, dann haperte es immer noch. Meko richtete die Sache als gewiegter Kenner, bis alles aufs genaueste zusammenklang, bis der Bogen sich tadellos an die Schweißung schloss. Und als sie richtig zu surren begann, empfanden wir beide eine unaussprech­liche Freude darüber, diesen Leichnam wieder beseelt zu haben, zu fühlen, dass wir dem Werk ein neues Leben geschenkt hatten, wiewenn ein Kind geboren wäre.
Dieses Vatergefühl des Arbeiters ist vielleicht eines der stärksten, die ich gekannt habe; es ist mir, als könnte ich in soundsovielen Jahren wiederkommen und sofort feststellen, ob die von mir angefertigten oder ausgebesserten Maschinenteile noch arbeiten, weil sie alle meine Kinder sind, weil ich nicht ohne ein mächtiges Gefühl des Stolzes, des Arbeiterstolzes an sie denken kann.Als Christus später wieder nach Nazareth kam, wird er wohl einen Blick auf dieses oder jenes Gebälk ge­worfen haben, das er mit besonderer Liebe ge­zimmert hatte, und er hat sich sicher bei Jakob oder Gideon nach ihrem Pflug erkundigt.
Früher fragte ich mich, wie wohl in Deutsch­land jene unglaublichen internationalen Werke und Fabriken arbeiten konnten, die eine bunt zusammen gewürfelte Bevölkerung von Russen, Serben, Polen, Italienern, Franzosen usw. beschäftigten. An Ort und Stelle ist mir klar ge­worden, da  das einigende Band für all diese Menschen nicht die Bestimmung ihrer Arbeit bildet, über welche sie natürlich nicht einer Meinung waren, sondern einfach die Gemeinschaft der Arbeitermenge mit dem Stoff, so etwa wie ein lebendiger Leib der Arbeit. Wenn ich auf einem Gang durch die Hallen sah, wie drei Gesellen: ein Russe, ein Deutscher, ein Franzose, Nieten mit dem Treibhammer bearbeiteten, wenn ich den tadellos genauen Zusammenklang ihrer Bewegungen, den harmon­ischen Rhythmus ihrer Schläge bewunderte, so dachte ich daran, dass über den Widersprüchen der Weltanschauung und den Schwierigkeiten der sprachlichen Verständigung eine wesentliche Solidarität der Arbeit besteht, und daß viel­leicht das Band des Stoffes ebenso mächtig ist wie das Band des Geistes. Die Internationale der Arbeit ist nicht nur eine marxistische Theorie, sondern greifbare Wirklichkeit. Christus mußte kommen und Arbeiter sein und die Ge­stalt des eucharistischen Brotes annehmen, auf dass die Undurchsichtigkeit dieser Materie über­wunden und diese materielle Gemeinschaft eine Gemeinschaft der Liebe würde; denn ohne ihn bleiben die Menschen bei der reinen Materie stehen, ohne deren Seele zu begreifen. So wie sie sie naturwidrig entwürdigt haben, um sie in den Dienst der Werkzeuge des Todes zu zwingen, so wissen sie auch ihre versöhnende Wirkung zu schänden, um sie in den Dienst der Zwietracht und des Hasses zu stellen. Und dies ist wahrlich Gottesschändung, denn die Materie ist etwas Heiliges. Durch diese Entdeckung der Materie und ihrer einigenden Aufgabe bin ich dazu geführt wor­den, eine Reihe von Werten zu erfassen (to realice, würde der Engländer schön sagen), von der ich nur eine Ahnung gehabt hatte.
Die Hierarchie der Arbeit ist nicht einfach eine Frage der Leistung, der Autorität oder gar der Zuständigkeit. Sie hat gewissermaßen ontologischen Wert. Ich rede hier nicht von der offiziellen Hierarchieder Vorarbeiter, Meister, Ingenieure usw. Ich rede hier von denen, die in der Fabrik, im Werk für gute Arbeiter gelten. Nicht immer ist ihr Lohn für ihren Wert be­zeichnend. Abgesehen von ihrer Arbeit ist viel­leicht nichts menschlich Schätzenswertes an ihnen, mögen sie grobschlächtig, trunksüchtig oder sittenlos sein. Am Werk aber, an ihrem Arbeitsplatz sind sie wie verklärt: sie sind die Wissenden. Weder der Stoff noch das Werkzeug haben Geheimnisse für sie, sie wirken Wunder der Ge­nauigkeit im Ausarbeiten und immer feiner Aus­arbeiten, Wunder, die man gesehen haben muss, um zu glauben, dass Menschenhände sie schufen. Ihre Diagnose ist unfehlbar, sie beherrschen Handgriffe, die sich mit solchen der berühm­testen Chirurgen vergleichen lassen, ihre Hand hat die leichten Bewegungen der Hand einer Blumenbinderin, es sind Künstler, Künstler des Metalls.
Ich sehe noch den dicken Meyer vor mir, Meyer, die große Kanone unter den Lö­tern, den man überall im Werk herrief, wenn es eine besonders heikle Arbeit auszu­führen galt. Er hat mir zu kurze Kupferfäden so kunstvoll zusammengelötet, dass man die Naht, fast hätte ich gesagt: die Narbe, unmöglich entdecken konnte. Ich denke an jenenElektriker von Huhon, der von Zeit zu Zeit ins Werk kam und im Handumdrehen die heikelsten Arbeiten an der Hochspannung vornahm. Und wieviele andere noch! Sie alle verdienen eine Hochachtung, die ihnen außerhalb des kleinen Kreises derer, die sie bei der Arbeit sehen, selten zuteil wird. Es sind die sozial Unbekannten, Verkannten, denen man zuweilen jeden menschlichen Wert abspricht. 
Andere, mit sauberen Händen und blendend weißen Kragen, lassen sich als „lieber Meister“ begrüßen, prangen im Schmuck ihrer Orden und lassen Reklame für ­sich machen. Sie aber werden Arbeitern, sogar ­ihren Frauen und Kindern und Freunden, un­bekannt bleiben, weil sie nur Virtuosen der Materie sind, als ob diese Arbeit nicht auch adelte, als ob sie nicht auch schöpferisch, nicht auch manchmal genial wäre.
Das muß man erlebt haben, um zu begreifen, dass Gott ein Zimmermann geworden ist.